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Schlüssel im Umgang mit Widerständen gegen das Velofahren

An der der Velo-city Konferenz in Danzig war der Widerstand gegen die Förderung des Veloverkehrs eines der zentralen Themen. Chris Bruntlett hat sehr konkrete Vorschläge, wie man darauf reagieren kann.

Als Verfechter einer besseren Velonutzung Velos zu testen, die Menschen mit Behinderungen die Teilnahme am Verkehr ermöglichen.

Seit 1980 organisiert die European Cyclists' Federation (ECF) jährlich die Velo-city-Konferenz. 2025 fand sie vom 10. bis 13. Juni in Danzig mit 2000 Teilnehmenden, darunter 400 Redner:innen aus der ganzen Welt statt. 

Ein zentrales Thema war der Bikelash, also die Ablehnung von Veloinfrastruktur, obwohl es bereits viele Fortschritte gibt. Chris Bruntlett von der Dutch Cycling Embassy stellte acht Strategien vor, um diesem Widerstand konstruktiv zu begegnen. 

Ist die Akzeptanz des Bikelashs, wie Sie es empfehlen, nicht eine Art Kapitulation? 
Nein, ganz im Gegenteil. Ich sage übrigens nicht, dass man das akzeptieren und untätig bleiben soll. Aber, wenn man akzeptiert, dass er unvermeidlich ist, kann man schneller mit den Politiker:innen sprechen. Die Reaktion auf Veränderungen ist immer dieselbe: Angst, Unsicherheit und Zweifel. Wenn wir davon sprechen, eine Strasse zu verändern und den Strassenraum neu zu verteilen, dann bedeutet das, dass wir einem Verkehrsteilnehmenden Raum wegnehmen, um ihn einem anderen zu geben. Die meisten Menschen reagieren darauf instinktiv ablehnend. Es ist erwiesen, dass Menschen, die an Privilegien gewöhnt sind, jede Entwicklung hin zu mehr Gleichheit als Unterdrückung empfinden. Für Menschen, für die das Auto eng mit ihrer Identität verbunden ist oder das Auto ihre Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft darstellt, wird jede Veränderung auf der Strasse wie ein Verlust empfunden. 

Sie sagen, es handele sich um eine Minderheit. Aber manchmal hat man den Eindruck, dass sie grösser ist, oder? 
Es handelt sich um eine Minderheit, die ich als hartnäckig und laut bezeichnen würde. Sie reagiert instinktiv, irrational und emotional. Im Englischen spricht man von C.A.V.E., für "citizens agains virtually everything”, also "Bürger, die praktisch gegen alles sind”.Wir müssen Strategien entwickeln, um mit diesen Menschen zu arbeiten und auf sie zu reagieren. Sie sind jedoch nicht unbedingt repräsentativ. Da sie so lautstark reagieren, wird das Problem grösser wahrgenommen, als es ist. Selbst in den Niederlanden wird es trotz aller Fortschritte immer eine kleine, lautstarke Minderheit geben, die sich jeder Veränderung widersetzt. 

Nehmen diese Gegenreaktionen zu? 
Der Aufstieg der sozialen Medien hat uns in gewisser Weise gespalten. Hinzu kommen Irrationalität und sich immer weiter verschärfende Kulturkriege. Das Velo ist zu einem neuen Kulturkrieg geworden, mit denklassischen Instrumenten wie Desinformation. Manche Menschen suchen Streit, egal worüber sie wütend sind. 

Sie sagen, man solle sich nicht auf das Terrain der Böswilligkeit begeben. Können Sie ein Beispiel nennen? 
Manche Leute ändern ihre Argumente, je mehr Antworten man ihnen gibt. Sie fragen nach Menschen mit Behinderung? Man antwortet. Dann fragen sie nach Krankenwagen oder Feuerwehr. Und später nach den Wetterbedingungen. Man kann antworten und das Projekt anpassen, aber man wird nie an einen Punkt erreichen, an dem sie zustimmen. Das nenne ich Böswilligkeit. 

Was schlagen Sie dann vor? 
Es lohnt sich nicht, darauf zu antworten. Ich investiere meine Zeit und Energie lieber in eine positive Darstellung dessen, was unsere Stadt sein könnte. Wir können darüber sprechen, wie unsere Stadt grüner – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – werden könnte, wie sie inklusiver und kinderfreundlicher werden könnte. Sie könnte ältere Menschen besser willkommen heissen. Sprechen wir über allgemeinere Dinge, auf die wir uns einigen können. 

Welche Rolle spielt das Velo in diesem Dialog? 
Es ist das Mittel, mit dem wir diese Ziele erreichen können. Ich glaube aber, dass die Chancen für Konsens, Koalitionen und Allianzen grösser sind, wenn wir uns auf höhere Ziele einigen. Man muss die Leute emotional ansprechen, indem man ihnen erzählt, wie sie selbst, ihre Kinder und ihre Nachbar: innen davon profitieren werden und wie sich ihr Leben verbessern wird. 

Was meinen Sie mit “seine Champions auswählen und vorbereiten”? 
Man muss die Menschen finden, die diese Infrastruktur aufbauen und diese Politik umsetzen werden. Oft reicht eine Person auf politischer Ebene, eine Bürgermeisterin, eine Stadträtin oder ein Sportstar des Viertels, jemand, der Führungsqualitäten zeigt. Aber man muss sie vorbereiten, denn diese Rolle kann herausfordernd sein. Sie werden angegriffen werden. Das sind sehr mutige Menschen. Sie tragen die Fackel dieses Ziels der Verbesserung der Infrastruktur. Und wir brauchen sie wirklich, damit sie nicht aufhören oder aufgeben. 

Wie beurteilen Sie die Situation des Radverkehrs in der Schweiz? 
Ich denke, die Herausforderung in der Schweiz ist das sehr effiziente öffentliche Verkehrssystem, insbesondere die Trams in den Städten, die sehr zuverlässig sind. Wenn man möchte, dass mehr Menschen in die Pedale treten, muss man sich bewusst sein, dass dies zu Lasten des öffentlichen Verkehrssystems gehen kann. Strassenbahnen sind wunderschön, aber sie sind ein sehr teures Verkehrsmittel. Ich hoffe, dass es eine Art Gleichgewicht und Synergien zwischen dem Velo und dem öffentlichen Nahverkehr gibt. Und genau das gelingt den Niederlanden wirklich gut: das Velo als Verbindung zu Zügen und Strassenbahnen zu nutzen. 

https://www.pro-velo.ch/de/ueber-uns/aktuelles/artikel/schluessel-im-umgang-mit-widerstaenden-gegen-das-velofahren

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