Kinder auf dem Velo auf dem Trottoir: eine beliebte Regel
Seit dem 1. Januar 2021 dürfen Kinder bis 12 Jahre mit dem Velo Fusswege und Trottoirs benützen, wenn weder ein Veloweg noch ein Velostreifen vorhanden sind. Laut dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) hat die neue Regel «einen positiven subjektiven Effekt auf die Sicherheit der betroffenen Kinder».

Zur Erinnerung: Das Ziel der neuen Regel, die am 1. Januar 2021 in Kraft trat, ist in erster Linie, Kinder im Schulalter vor den Gefahren des Strassenverkehrs zu schützen, wo sie besonders gefährdet sind. Das ASTRA will aber auch dem Rückgang des Radfahrens bei Kindern entgegenwirken, der durch mehrere Studien belegt ist (die neueste Studie “Mobilität von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen” beschreibt die Gründe dafür).
In einer Ende letzten Jahres veröffentlichten Studie haben die Experten des ASTRA die Auswirkungen der neuen Regel abgeschätzt und die Unfallstatistiken unter die Lupe genommen. Die Zahl der Unfälle ist jedoch (glücklicherweise) zu gering, um echte Veränderungen vor und nach der neuen Regel aufzuzeigen, zumal die Covid-19-Pandemie einen starken Einfluss auf das Mobilitätsverhalten hatte.
Dennoch stellen die Experten fest: "Nach Inkrafttreten der Neuregelung sind die Kollisionen zwischen velofahrenden Kindern und Personenwagen auf Gehflächen auffällig angestiegen." Dies mag überraschend klingen. Tatsächlich handelt es sich aber um Ein- und Ausfahrten von Liegenschaften, um Parkplätze, oder um Kurven mit beschränkter Sichtweite
Das ASTRA befragte auch Eltern, ihre Kinder sowie andere betroffene Verkehrsteilnehmende, wie z. B. Personen mit eingeschränkter Mobilität. Laut den Eltern wirkt die Neuregelung subjektiv positiv auf die Sicherheit der velofahrenden Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren. Sie begrüssen eine Legitimierung einer Praxis, die vor 2021 nicht erlaubt war, aber praktiziert und toleriert wurde. Die Studie stellt im Übrigen fest, dass die Zahl der erwachsenen Velofahrer:innen, in diesem Fall Eltern, die ihre Kinder begleiten würden, auf den Trottoirs nicht zugenommen hat.
In Bezug auf das subjektive Empfinden der Fussgänger:innen gibt es zwei widersprüchliche Ergebnisse: In einem Fragebogen gaben die Teilnehmer:innen der Umfrage, insbesondere die 75-Jährigen und Älteren sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität, an, dass sie sich auf dem Trottoir nun weniger sicher fühlten. Bei den Gruppengesprächen «hatte die Neuregelung hingegen bei keiner der befragten Personen Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl auf dem Trottoir». Spontan nennen viele E-Trottinetts als grösseres Problem als Kinder auf Velos.
Im Namen von Pro Velo weist Christoph Merkli, Leiter des Bereichs Infrastruktur und Politik, darauf hin, dass die Regeln für das Fahren auf Trottoirs in den Velosicherheitskursen für Familien vermittelt werden. "Dies ist eine wichtige Möglichkeit, damit auch jüngere Kinder am Veloverkehr teilnehmen können", erklärt er.
"In unseren Velosicherheitskursen lernen Eltern mit ihren Kindern und auch ältere Kinder alleine, wie sie sicher im Verkehr unterwegs sein können. Zentral ist, dass die Eltern mit ihren Kindern zusammen üben und damit auf dem Velo Sicherheit vermitteln.»
Vor allem: "Das Velofahren auf dem Trottoir muss eine Ausnahme bleiben, dort, wo es auf der Strasse zu gefährlich ist. Es braucht immer die Rücksichtnahme auf Fussgängerinnen und Fussgänger. Pro Velo engagiert sich stark für die Umsetzung des Veloweggesetzes, das attraktive und sichere Velowege fordert. Dann müssen Kinder nicht mehr auf dem Trottoir fahren.»
Ariane Gigon
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