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"Das Velo ist ein Kernstück der neuen Mobilität"

Die neue Präsidentin von Pro Velo Delphine Klopfenstein Broggini und der neue Vizepräsident Hasan Candan blicken auf ein ereignisreiches Jahr zurück, sowohl für den Verband als auch für die Stellung des Velos im öffentlichen Raum. Das neue Duo stellt auch seine Prioritäten vor.

 

Welche Bilanz zieht ihr aus dem zu Ende gehenden Jahr 2024?

Delphine: Die historische Abstimmung vom 24. November, mit unserem Sieg über die Autobahnen, ist ein Wendepunkt in der Schweizer Verkehrspolitik. Persönlich bin ich sehr glücklich und fühle mich durch meine neue Funktion als Präsidentin von Pro Velo geehrt! Ich fahre seit meiner Kindheit täglich Velo und freue mich sehr darauf, diese Herausforderung zusammen mit dem neu gewählten Vorstand, der Geschäftsstelle in Bern und den 40 Regionalverbänden anzunehmen. 

Hasan: Ich betrachte das Ergebnis der Abstimmung auch als ein Schlüsselereignis des Jahres, vor allem weil es kein Stadt-Land-Gefälle gab. Es wurde ein sehr klarer Wille für eine neue Mobilität bekundet, unabhängig davon, ob man in der Stadt oder auf dem Land wohnt, beeindruckend! Was mich betrifft, so war 2024 mein Debüt unter der Bundeshauskuppel, da ich Ende 2023 in den Nationalrat gewählt wurde. Für mich ist das Velo untrennbar mit dem Klima- und  Biodiversitätsschutz verknüpft, wenn wir urbane Räume mit hoher Lebensqualität schaffen wollen. Ich freue mich daher ausserordentlich, Vizepräsident von Pro Velo zu werden und mit Delphine zusammenzuarbeiten. 

 

Ihr setzt die Tradition des deutsch- und französischsprachigen Duos für die Präsidentin und den Vize-Präsidenten von Pro Velo fort. Wie werdet ihr zusammenarbeiten? 

Delphine: Ich bin sehr froh, dass Hasan auch die Aspekte des Klimas und der Biodiversität einbringt. Diese Themen sind eng mit der Mobilität verknüpft. Das Veloweggesetz, das seit zwei Jahren in Kraft ist, gibt uns die Möglichkeit, gute Beispiele aus dem ganzen Land zu diskutieren und die Veloinfrastruktur überall in der Schweiz massiv auszubauen. Der Blick aus Luzern und Genf erweitert diese Möglichkeiten. Ich denke, dass diese gemeinsame Bewertungsarbeit wichtig ist und dass die Erfahrungen der Regionalverbände dabei entscheidend sind.

Hasan: Ich wünsche mir, dass die Pro Velo-Kultur es schafft, die unterschiedlichen Voraussetzungen in unserem Land zu berücksichtigen und auf die spezifischen Bedürfnisse einzugehen, ob in der Deutschschweiz oder der Romandie. Die Konzepte für lebenswerte Gemeinden sind ähnlich, müssen aber spezifisch umgesetzt werden. Das Velo muss immer im Zentrum der Überlegungen stehen! 

 

Welche Prioritäten setzt ihr in eurer neuen Funktion bei Pro Velo?

Hasan: Wir müssen die Veloförderung verstärken. Die Sicherheit, die durch eine hochwertige Infrastruktur gewährleistet wird, ist ein wichtiges Ziel. Unabhängig von Ort, Tages- oder Jahreszeit muss Velofahren sicherer werden – für alle Bevölkerungsgruppen. Es darf niemand mehr das Gefühl haben, Velofahren sei gefährlich und deshalb darauf verzichten.

Delphine: Der 24. November hat das Potenzial, den Weg für eine echte Mobilitätsrevolution in unserem Land zu ebnen. Meine Priorität ist eine gerechtere und ausgewogenere Neuverteilung des öffentlichen Raums. Das Velo ist ein wichtiger Bestandteil der neuen Mobilität, sowohl in Städten und Agglomerationen als auch zwischen Dörfern. Wir müssen eine sichere Veloinfrastruktur entwickeln und sie insbesondere auf den Fussverkehr und den öffentlichen Verkehr abstimmen, denn wir arbeiten zusammen, Hand in Hand, und nicht gegeneinander. Der öffentliche Raum muss zu einem Ort des Lebens werden und das Velo trägt diese Botschaft.

 

Wie können die Vorbehalte von Menschen überwunden werden, die das Velofahren kompliziert, gefährlich, nicht schnell genug oder nicht effizient genug finden? 

Delphine: Der beste Weg, um solche subjektiven Hindernisse wie Angst oder Scheu vor Anstrengung zu überwinden, ist ein attraktives Velowegnetz, d. h. ein gut durchdachtes, bequemes, direktes und sicheres Velowegnetz. Auch die Reduktion der Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs ist ein wirksamer Hebel. Wenn der öffentliche Raum besser verteilt ist, haben Velofahrende mehr Platz und der Respekt nimmt auf beiden Seiten zu. Echte Sicherheit wird mit der kritischen Masse erreicht: Je mehr Velofahrende wir sind, desto sicherer werden wir unterwegs sein. 

Unsere auf das Auto ausgerichtete Gesellschaft kann sich weiterentwickeln, vor allem wenn man bedenkt, dass jede zweite Fahrt weniger als 5 km lang ist. Pro Velo kann eine unterstützende Rolle spielen und die Bevölkerung auf dem Weg zu neuen Gewohnheiten begleiten, die mit der Lebensqualität, der Gesundheit und der Effizienz unserer Fortbewegung vereinbar sind und gleichzeitig eine Antwort auf die aktuellen klimatischen Herausforderungen bieten.

Hasan: Ich glaube, dass der psychologische Aspekt in der Tat sehr wichtig ist und es ist auch die Aufgabe von Pro Velo, diese zu verstehen. Zusammen mit der Schaffung einer hochwertigen und flächendeckenden Infrastruktur wird uns das helfen, Lösungen zu finden, um die Zahl der Velofahrenden zu erhöhen. Es geht auch darum, Hindernisse zu beseitigen, die gewisse Menschen vom Velofahren abhalten. An manchen Orten gibt es leider tatsächlich Gründe dafür, sich nicht auf diese Weise fortzubewegen. Viele - und ich gehöre dazu! - haben Angst, sich in den Autoverkehr einzureihen.

 

Zum Schluss eine etwas provokative Frage: habt ihr einen Führerschein? Und ein Auto? 

Hasan: Ich habe einen Führerschein und teile ein Auto mit anderen Personen. Ich nutze das Carsharing z. B. um Verwandte zu besuchen oder im Winter zum Langlaufen. Ich finde es falsch, die verschiedenen Verkehrsmittel gegeneinander auszuspielen. Jedes Verkehrsmittel hat seine Berechtigung, wir müssen aber flächen- und klimaeffiziente Verkehrsmittel stärker fördern und priorisieren. 
 

Delphine: Wie 50 % der städtischen Haushalte in diesem Land besitze ich kein Auto. Ich habe auch auf den Führerschein verzichtet, da ich der Meinung bin, dass ich mit dem Velo, zu Fuss, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, manchmal mit dem Taxi oder mit speziellen Lieferungen für sperrige Gegenstände (was zugegebenermassen sehr selten vorkommt) mein Gleichgewicht gefunden habe. Dies hat sicherlich meinen Alltag und meine Lebens-, Arbeits- und Freizeitorte geprägt, hat aber nie meine Freiheit eingeschränkt.

 

Eure Lieblingsstrecke mit dem Velo?

Hasan: Irgendwo in der Natur und am liebsten, wo es bergauf geht.

Delphine: Im Freilauf von den Hügeln von Versoix, wo ich wohne, zum Genfer See, um bei jedem Wetter zu baden.  

Delphine und Hasan: Gemeinsam mit dem gesamten Team von Pro Velo wünschen wir Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Sie können sich auf uns verlassen: Wir werden uns weiterhin für eine gute Veloinfrastruktur und eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Raums einsetzen!

Interview: Ariane Gigon
Bilder: Sylvain Smykla

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